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UA Ruhr News Center

16. März 2022

Studienbrücke: Zusammenhalt in schwierigen Zeiten

Das Programm Studienbrücke nach Osteuropa mit Studierenden aus Russland und der Ukraine läuft weiter – aus gutem Grund. Teilnehmerinnen berichten.

Gerade in den jetzigen Zeiten des Krieges in der Ukraine mehren sich die Stimmen, die den Abbruch sämtlicher Beziehungen zu Russland fordern. Dass das nicht in jedem Fall sinnvoll wäre und unter Umständen sogar die Falschen treffen würde, zeigt das Programm Studienbrücke, über das hoch engagierte und qualifizierte Studierende aus Russland, Ukraine und Belarus (und weiteren Ländern) an den Universitäten der Universitätsallianz Ruhr und an weiteren Partnerhochschulen des Programms studieren. Teilnehmerinnen und Organisatorinnen des Programms erzählen von großer Hilfsbereitschaft und Solidarität.
„Die Studienbrücke ist ein anschauliches Beispiel für Zusammenhalt in schwierigen Zeiten“, sagt Elena Resch, die in der UA Ruhr das Programm koordiniert. Die Studienbrücke ist ein besonderes Programm, das individuelle Mobilität fördert. Getragen vom DAAD und vom Goethe-Institut, bringt es hervorragend Deutsch sprechende Regelstudierende an Partneruniversitäten. Die Studierenden finanzieren ihren Aufenthalt selbst – ohne Beteiligung irgendeiner russischen oder anderen Institution aus den osteuropäischen Ländern.

Aktuelle Erfahrungen der Studienbrückler:innen
„Das Verhältnis zwischen den russischen und den ukrainischen Studienbrücklern ist sehr gut“, berichtet Anastasiia Sliusar, „daran ändern auch die jetzigen Umstände nichts“. Sliusar ist Russin, 22 Jahre jung, selbst Absolventin des Programms und momentan wissenschaftliche Hilfskraft an der RUB. Sie unterstützt die Projekt-Koordination und die Aktivitäten der derzeitigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dabei spricht sie weder von Russen oder Ukrainern noch von Teilnehmern, sondern ausschließlich von „Studienbrücklern“. Das Programm verbindet.

Anastasiia Sliusar erzählt, wie nach dem anfänglichen Schock die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt zugenommen haben. „Wir haben zusammen Hilfspakete gepackt, bei der Arbeiterwohlfahrt als Dolmetscher ausgeholfen und uns auf vielfältige Weise engagiert. Wichtig ist außerdem, dass wir gemeinsam Zeit miteinander verbringen: Wir kochen zusammen, treiben Sport, teilen Informationen aus der Heimat und bringen uns gegenseitig auf den neuesten Stand.“



© Katja Marquard, RUB

Sliusar hat von zwei Studienbrücklerinnen aus der Ukraine diese Rückmeldungen bekommen:

Sofiya Kostiukovska aus Charkiw berichtet (9. März 2022):
„Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Kommilitonen aus Russland immer wieder ihr Verständnis und Mitleid für alle Ukrainer ausdrücken. Und auch dafür, dass ich noch keinen einzigen Fall von Aggression zwischen ukrainischen und russischen Mitgliedern der Studienbrücke seit dem Kriegsanfang erlebt habe. Im Gegenteil unterstützen wir nicht nur einander, sondern auch die Menschen, die entweder in den Kriegsgebieten oder auf der Flucht Hilfe brauchen. Wir nehmen regelmäßig an den Spendenaktionen der Ruhr-Uni sowie an Demonstrationen teil.
Außerdem deckt jeder von uns die wichtigsten Nachrichten aus dem Krieg täglich auf unseren sozialen Medien ab. Erstens, damit die staatliche Propaganda von Russland unterdrückt wird und die russische Bevölkerung die Lage endlich realistisch wahrnimmt. Zweitens wollen wir, dass auch in der EU darüber geredet wird, damit die Regierung von Russland, und der Präsident insbesondere, für die zahlreichen Verbrechen gegen das Kriegsrecht vom internationalen Gerichtshof verurteilt wird.
Ich würde mich noch gerne persönlich an das Publikum, an die Leserinnen und Leser und an alle wenden, die sich nicht sicher sind, ob oder wie man zur Auflösung der Situation beitragen kann. Wir sind unendlich dankbar für die großzügige Resonanz der Welt. Jede kleine Spende, jedes Repost, jede Hilfe der Freiwilligen zählt für die ukrainische Bevölkerung. Aber es ist genauso wichtig, weiter die Menschen über die aktuelle Lage zu informieren sowie den ‚people in need‘ euren Beistand zu zeigen. Deswegen möchte ich jede und jeden gerne darin bestärken, den eigenen Beitrag noch zu leisten, und mich bei allen Helfenden bedanken. Nur als Gemeinschaft werden wir den Frieden in der Ukraine erreichen!“

Tetiana Kanderal aus Kiew sagt (8. März 2022):
„Das kann man kaum glauben, aber es ist schon der 13. Tag des Krieges in meinem Land. Ich bin Ukrainerin und sehr weit von meiner Familie entfernt. Die einzige mögliche Hilfe von mir sind momentan emotionale Unterstützung und das Sammeln von humanitärer Hilfe beziehungsweise der notwendigen Kontakte. Ich studiere in Deutschland und bin sehr glücklich, dass meine ganze Umgebung aus Studenten und Studentinnen aus verschiedenen Ländern besteht. Diese kritische und schwierige Situation hat Studenten aus verschiedenen Ländern zusammengebracht, um den Menschen in meiner Heimat zu helfen. Wenn wir an Kundgebungen teilnehmen, Lebensmittel und Sachen zu den ehrenamtlichen Helfern bringen, treffen wir alle zusammen, unterstützen uns gegenseitig und tauschen uns aus.
Natürlich gibt es auch Leute, die die Meinung der Mehrheit nicht teilen oder sogar den Krieg unterstützen, aber wir verschwenden keine Zeit mit Streiten, sondern nutzen sie für die Hilfe. Ich bete jeden Tag und glaube, dass dieser Albtraum bald aufhören wird und wir weiterhin in Ruhe leben werden. Ich bin allen Ländern von ganzem Herzen dankbar!“
Eine wichtige Unterscheidung

Abstimmung mit internationalen Wissenschaftsakteuren
Die UA Ruhr stimmt sich in ihren Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine mit wichtigen Akteuren im Bereich der internationalen Wissenschaftskooperation ab: Das sind z.B. der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Europäische Union, die Bundesregierung und natürlich das Wissenschaftsministerium NRW. Besonders wichtig ist es, zwischen institutioneller Kooperation und individueller Förderung zu unterscheiden. Die UA Ruhr lässt ihre Partnerschaften und Kooperationen, die in der Regel institutionellen Charakter haben, zurzeit ruhen. Das gilt auch für die Aktivitäten des Liaison Office der Universitätsallianz Ruhr, das für die Region Osteuropa/Zentralasien zuständig ist. Individuelle Mobilitäten, selbst innerhalb von Projekten wie z.B. der Studienbrücke, sind jedoch weiterhin möglich und momentan noch förderfähig – etwa durch Mittel des DAAD. „Das gilt, so lange es möglich ist, Visa für die Einreise nach Deutschland zu erhalten“, erläutert Monika Sprung, Leiterin des International Office der RUB.

Das UA Ruhr-Verbindungsbüro
„Die Aktivitäten unseres UA Ruhr Liaison Office, das für die Region Ostasien/Zentraleuropa zuständig ist, werden beziehungsweise sind vor Ort in Moskau heruntergefahren, alle Veranstaltungen sind abgesagt. Der Standort wird – so die aktuelle Beschlusslage der drei UA Ruhr-Partner – zurzeit gehalten, ähnlich wie es DAAD, DFG und auch das Land NRW mit seinem Moskauer Büro handhaben. Daran orientieren wir uns“, erläutert die Geschäftsführerin Elena Resch. „Je nach aktueller Entwicklung würde die Situation gegebenenfalls neu bewertet werden. Wir hoffen darauf, dass es in Zukunft möglich sein wird, unser Netzwerk in der Region wieder zu aktivieren, beziehungsweise zu erneuern“, so Resch.