News

News

UA Ruhr News Center

20. April 2022

UA Ruhr-Forschende beobachten heftige Explosionen auf einem Vampirstern

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Technischen Universität (TU) Dortmund hat heftige Explosionen auf der Oberfläche eines Weißen Zwergs im Sternbild Schlangenträger beobachtet. Erstmals konnten diese wiederkehrenden Ereignisse, Novae genannt, nicht nur aus dem Weltall, sondern auch vom Boden aus aufgezeichnet werden. Mit den MAGIC (Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov)-Teleskopen auf La Palma detektierte das Team energiereiche Gammastrahlen während der Ausbrüche. Es war das erste Mal, dass bei einer Nova solch energiereiche Strahlung nachgewiesen wurde. Die Forscherinnen und Forscher beschreiben die Ergebnisse in der Zeitschrift Nature Astronomy vom 14. April 2022.

Vom Roten Riesen zum Weißen Zwerg
Wenn ein Stern stirbt, dehnt er sich zu nächst zu einem Roten Riesenstern aus und kollabiert dann zu einer Sternenleiche, einem Weißen Zwerg. Dieser besteht aus einem sehr dichten Material: ein Teelöffel davon würde etwa eine Tonne wiegen. Unter bestimmten Umständen können diese Sternleichen noch einmal gigantische Explosionen hervorrufen: Wenn der Weiße Zwerg einen Begleiter hat, der seinerseits in die Phase des Roten Riesen übergeht, kann der Wasserstoff aus den ausgedehnten äußeren Schichten des Riesen der enormen Anziehungskraft des dichten Zwergs erliegen und sich auf dessen Oberfläche ansammeln. Der „tote“ Stern entzieht dem aktiven Stern also Gas und wird deshalb auch „Vampirstern“ genannt. Vereinzelt kann es in solchen Systemen sogar zu Kernexplosionen auf der Oberfläche kommen, die einen Großteil des Wasserstoffs und der Fusionsprodukte ins All schleudern. Da die Explosion extrem hell ist, wird der Vorgang auch „stella nova“ (neuer Stern, kurz „Nova“) genannt. In manchen Fällen wiederholt sich der Gastransfer und damit auch der Nova-Aus-bruch. Das wird als wiederkehrende Nova bezeichnet.

Vampirismus auf Abwegen
Eine dieser wiederkehrenden Novae ist das Objekt RS Ophiuchi in unserer Milchstraße, für das die nächste Explosion im vergangenen Jahr erwartet worden war. Allerdings handelt es sich bei RS Ophiuchi um Vampirismus auf Abwegen. Denn der Weiße Zwerg verbrennt die von seinem Nachbarn geklaute Materie nicht, sondern schleudert sie ins All. Solche extrem hellen Ausbrüche ereignen sich bei RS Ophiuchi etwa alle 15 Jahre und waren zuletzt 2006 beobachtet worden. Das MAGIC-Team behielt das Objekt wachsam im Auge, um den nächsten Ausbruch nicht zu verpassen.


Künstlerische Darstellung des Transfers von Material von einem Roten Riesen zu einem Weißen Zwerg. So könnte auch RS Ophiuchi vor der Nova-Explosion ausgesehen haben.
Künstlerische Darstellung des Transfers von Material von einem Roten Riesen zu einem Weißen Zwerg. So könnte auch RS Ophiuchi vor der Nova-Explosion ausgesehen haben.
© https://superbossa.com / MPP

Vom Boden und aus dem All beobachtet
„Am 8. August 2021 erreichte das Licht der Explosion dann tatsächlich die Erde und wurde sofort von optischen Teleskopen am Boden und dem Large Area Telescope auf dem von der NASA betriebenen Gammastrahlenobservatorium Fermi in der Umlaufbahn entdeckt“, schildert Vandad Fallah Ramazani vom RUB-Lehrstuhl für Multiwellenlängen Astronomie. Am 9. August richteten Mitglieder des MAGIC-Teams, einem inte nationalen Zusammenschluss von rund 160 Wissenschaftler*innen, die beiden 17-Meter-Luft-Tscherenkov-Teleskope auf die laufende Eruption aus – und detektierte die Gammastrahlen.
„Einige Novae konnten bereits als Emitter von Gammastrahlen mit dem Large Area Telescope identifiziert werden”, berichtet Prof. Dr. Anna Franckowiak, Leiterin des Lehrstuhls für Multiwellenlängen Astronomie der RUB. „Aber das ist das erste Mal, dass die Gammastrahlen derart hohe Energien erreichen.” Dank der guten Beobachtungsbedingungen auf La Palma und der einzigartigen Empfindlichkeit des MAGIC-Systems konnten bei der Nova extrem energiereiche Gammastrahlen nach gewiesen werden, die auf Beschleunigungen von Protonen zurückgeführt werden konnten. „Die Beobachtung von Himmelsobjekten bei derartig großen Energien öffnet einzigartige Fenster ins extreme Universum. Wir können so die Prozesse, bei denen im Universum Teilchen auf Energien beschleunigt werden, die deutlich größer sind als in irdischen Experimenten, im Detail studieren“, er klärt Dr. Dominik Elsässer von der Fakultät Physik der TU Dortmund und Mitglied im Lenkungsausschuss der MAGIC-Kollaboration.

Auf der Suche nach kosmischer Strahlung
Laut den Analysen des MAGIC-Teams können Novae eine Überdichte an kosmischer Strahlung in ihrer direkten Nachbarschaft erzeugen. Der Großteil der hochenergetischen Strahlung, die die Milchstraße durchdringt, stammt aber wahrscheinlich aus anderen Quellen, nach denen das Team weitersuchen wird.
„Der Ursprung der galaktischen kosmischen Strahlung bleibt eine der fundamentalen Fragen der modernen Physik. Daten wie die hier vorgestellten, zusammen mit neuen Ansätzen und Methoden aus der Theorie, fügen immer neue und spannende Facetten zu unserem Bild des wechselwirkenden Universums hinzu”, so RUB-Professorin Dr. Julia Tjus, Sprecherin des Sonderforschungsbereichs 1491 „Das Wechselspiel der kosmischen Materie“. „Erst das interdisziplinäre Zusammenspiel aus Teilchenphysik, Astrophysik, Plasmaphysik und Datenwissenschaften macht fundamentale Durchbrüche möglich“, sagt Prof. Wolfgang Rhode, Professor für Astroteilchenphysik an der TU Dortmund und Co-Sprecher des SFB 1491.

Kooperation und Förderung
Am MAGIC-Konsortium sind die RUB und die TU Dortmund beteiligt, die im Rahmen der UA Ruhr eng kooperieren. Sie werden dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Seit Januar 2022 widmen sich Forschende aus Bochum, Dortmund und Wuppertal im Sonderforschungsbereich 1491 dem Verständnis der Vorgänge bei der kosmischen Wechselwirkung von verschiedenen Materieformen, einschließlich den Plasmen bei stellaren Explosionen.


Weiterführende Informationen: